Mit Ende der Vorrunde und dem Beginn des EM-Viertelfinals,
ist der richtige Zeitpunkt für erstes kleines Resümee gekommen. Bereits nach
zwei Wochen steht ein, wenn nicht gar der größte Verlierer des Turniers fest:
Die EM-Teams von ARD und ZDF. Was die beiden Sender bislang lieferten grenzte
teilweise an intellektuelle Zuschauerbeschimpfung. Es ist erschreckend zu
sehen, für wie dumm die Redaktionen, Moderatoren und Sender-Verantwortlichen ihre
Zuschauer offenbar halten. Deshalb ist es an der Zeit acht Forderungen an die
Sportchefs und Intendanten von ARD und ZDF zu stellen.
1. Nehmen Sie endlich Ihre Zuschauer ernst
Es reicht nicht, wenn ein Oliver Kahn davon spricht, dass
die Spieler „näher am Mann stehen müssen“. Jeder Zuschauer hat ein Recht
darauf, dass der Experte, wenn es schon der Moderator nicht kann, ernsthaft
erklärt, aufgrund welcher taktischer Fehler ein Tor gefallen ist.
2. Fußball und die EM sind der Star
Niemand will Oliver Kahn bei dem Versuch zusehen einen
ersten Tweet zu formulieren. Die EM-Sendungen sollen ernsthaft über das Turnier
und das Drumherum, auch gerne die politischen Begebenheiten berichten. Wenn es
keine sinnvollen Inhalte für die restlicht Sendezeit gibt, spricht nichts
dagegen, die Sendung zu beenden. Ob die Übertragung um 23.00 Uhr oder um 23.30
endet, ist irrelevant. Relevant ist aber, dass die Zuschauer das Gefühl haben,
dass ihre Zeit nicht verschwendet wird.
3. Weniger Bild, mehr SZ
Die Bild hat nicht den besten Sportteil und alles was in der
Bild steht, ist nicht automatisch das bestimmende Thema. Bei diesem Turnier
scheint der Druck auf die Moderatoren und TV-Reporter besonders stark zu sein,
auch wirklich jeden Bericht der Boulevardzeitung auch noch im TV aufzuarbeiten.
Wie man über die EM berichten kann, ohne sich von jeder scheinbaren
Aufgeregtheit anstecken zu lassen, zeigt vorbildlich der Sportteil der
Süddeutschen Zeitung (andere Zeitungen machen das bestimmt auch ganz famos).
4. Mehr Fachwissen, weniger Flachwissen
Die taktische Unwissenheit vieler Moderatoren ist
beängstigend. Genauso wie das nicht vorhandenen Verständnis der Statuten. Jeder,
der erlebt hat, wie Béla Réthy bei demVersuch scheiterte, zu erklären, wann Frankreich und wann Italien ausgeschieden
sind, ist noch immer peinlich berührt.
Zudem haben die meisten Reporter große Schwierigkeiten ein Spiel zu lesen.
Gutes Beispiel hierfür ist die völlig unterschiedliche Wahrnehmung der ersten
Halbzeiten von Deutschland – Dänemark oder Ukraine – England zwischen dem TV-Reporter
und Mehmet Scholl. Die TV-Macher scheinen völlig zu unterschätzten, wie groß
das Taktik-Interesse bei den Zuschauer/Lesern ist. Nicht umsonst hat die Welt
oder 11 Freunde spezielle Kolumnen. Ein weiteres gutes Beispiel sind die tollen
Interviews mit dem DFB-Taktik-Experten Frank Wormuth von Spox.
5. Crashkurs für Sportjournalisten
Vorschlag: Könnte der DFB nicht einen Trainer/Taktik-Crashkurs
für Sportjournalisten anbieten? Es dürfte doch auch im Interesse der Sportfunktionäre
sein, dass die Berichterstatter besser verstehen, was auf dem Platz passiert.
6. Mehr Trainer, weniger Ex-Profis als Experten
Es ist ein ständiges Ärgernis: Wer einmal einen Trainer
ernsthaft über Fußball hat reden hören und dann den meist belanglosen Analysen
von Ex-Spieler lauschen muss, fühlt sich leicht verarscht. Liebes ZDF, liebe
ARD, bitte fragt viel häufiger doch einmal Trainer wie Ralf Rangnick oder Lucien Favre. Diese Herren können substantielle
Debatten-Beiträge beisteuern.
7. Lustige Fußball-Formate sofort verbieten
Spätestens seit Fever Pitch von Nick Hornby, dürfte auch
hierzulande bekannt sein: Fußball ist eine ernste Angelegenheit. Alle Versuche sich
lustige dem Thema zu nähern, wie beispielsweise Waldis EM-Club sind intellektuelle
Publikumsbeschimpfung.
8. Fangen Sie endlich an den Fußball zu lieben
Das Schlimmste ist aber, dass die meisten Beiträge bei
ARD/ZDF nicht das Gefühl vermitteln, dass die Macher den Fußball wirklich
lieben. Es ist immer Dienst nach Vorschrift. Meistens solide gemachte Arbeit.
Aber wo ist die echte Begeisterung, der echte Ärger?
Ob bei den Studiomoderationen, den TV-Berichten oder den
Live-Moderationen: alles ist so ordentlich. Wo ist die verbale Anarchie, wo ist
der Reporter, der für den Sport brennt und sich zur Not auch mal den Mund
verbrennt? Absoluter negativer Höhepunkt waren hier die Reporter Fragen nach
der Partie Deutschland gegen Holland. Positive Ausnahme: Mehmet Scholl. Der
Mann hat sich immer noch eine gewisse kindliche Freude am Fußball bewahrt und
ist in Sachen „Wundgelegen“ vielleicht über das Ziel herausgeschossen, aber er
hatte Mut zur Meinung gehabt. Das verdient Respekt, denn Scholl liebt und
respektiert das Spiel aus ganzen Herzen. Das scheint ihn von vielen seiner
TV-Kollegen zu unterscheiden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen