Der Online-Journalismus emanzipiert sich: Denn die gute Nachricht ist, die Arbeit vieler Web-Redakteure wird immer besser und vor allem immer häufiger von vielen Offline-Medien wahrgenommen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Erfolg der Online-Storys von Stern.de, Spiegel Online und Bunte.de über die „Wetten, dass..?“-Übernahme durch Markus Lanz. Unzählige Medien griffen die Meldungen auf. Anstatt Stern.de, Spiegel Online und Bunte.de könnte man jedoch auch ähnliche Geschichte von Zeit Online, FAZ.net oder Süddeutsche.de nennen, die seit einiger Zeit ihr Niveau erheblich anheben konnten.
Eine direkte Folge der verbesserten Arbeit vieler Web-Angebote ist das massive Traffic-Wachstum im vergangenen Monat.
Aber wie so oft, hat auch im Online-Journalismus die Medaille zwei Seiten. Gerade in den letzten Tagen zeigt sich, dass auch immer mehr Web-Angebot der Gefahr unterliegen zu überdrehen. Die aktuellen Beispiele häufen sich. So nervt längst der inflationäre Einsatz des Wortes Shitstorm. Sobald mehr als drei Nutzer im Netz via Twitter Kritik üben, ist mittlerweile von einem Shitstorm die Rede. Überhaupt drängt sich immer häufiger der Verdacht auf, dass viele Online-Storys genau darauf designt sind, möglichst viel Widerhall bei Twitter und Facebook zu finden. Dabei scheint es längst egal zu sein, ob die Leser positiv oder negativ über die Story, den Autoren und den veröffentlichenden Titel reden. Die Hauptsache ist, dass sie überhaupt darüber reden.
Es geht nur um die Aufmerksamkeit, auch wenn eine Vielzahl von Lesern dabei verärgert wird. Tatsächlich birgt diese Konzentration auf maximale Aufmerksamkeit die Gefahr, langfristig mehr Leser zu verlieren, als Traffic zu gewinnen. Ein gutes Beispiel für das Überziehen einiger Web-Portale, lieferte Werben & Verkaufen am gestrigen Mittwoch. Die Münchner machten eine Story über den privaten Möbelverkauf von Sascha Lobo. Grundsätzlich ein Umstand über den ein Branchendienst nicht wirklich berichten muss. Allerdings legte W&V noch einen drauf und baute aus den einzelnen Möbelstücken sogar noch eine Klickstrecke und verschickte sie via Sondernewsletter.
Ein weiteres Beispiel für das aktuelle Überdrehen ist der Umgang einiger Web-Portale mit der Nachricht, dass Apple überraschend eine erste Demoversion seines überarbeiteten Betriebssystems online stellte. Einige Nachrichtenportale, wie beispielsweise die Abendzeitung machten daraus eine „Eil-Meldung“. Ich frage mich dann immer: Was passiert, wenn tatsächlich Wulff zurücktreten würde oder Griechenland aus dem Euro-Aussteigt?
Dieser teilweise völlig überdrehte Umgang mit – sind wir mal ehrlich – kleineren Nachrichten, könnte mittelfristig dafür sorgen, dass sich die gerade erst gesteigerte Wahrnehmung des Online-Journalismus, erheblich leidet, weil die Leser-Aufmerksamkeit von der bereits überhitzten Aufmerksamkeitsmaschine erschöpft ist.
Es könnte sein, dass in der Rückschau der 30. Januar noch ein wichtiges Datum wird. An diesem Tag gelang Handelsblatt.com möglicherweise eine Zäsur. Mit der Story „Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren!" gelang den Düsseldorfer der zweifelhafte Coup, dass eine Story ein riesiger Erfolg wurde, die einzig dafür designt war, einen maximalen Netz-Aufschrei (Shitstorm) zu erzeugen und so die Traffic-Zahlen der Wirtschaftszeitung in ungeahnte Höhen zu treiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen